Der Wixer von London

Eine Eloge auf den größten Samenspender der Welt

Von Oliver Geyer

BPW – so nennen ihn viele seiner Nachkommen nur und geben dieser Abkürzung aus Wiesners Initialen einen mal distanzierten, mal liebevoll-ironischen Klang. BPW hat also irgendwann selbst Hand angelegt, und das entbehrt nicht einer gewissen Logik. Beides nicht: dass er so gehandelt hat und dass dann irgendwann viel später doch noch alles herausgekommen ist. Da sind sich viele der Betroffenen einig.

Schließlich waren Berthold Paul Wiesner und seine Frau, die Gynäkologin Mary Barton, als Pioniere auf dem Feld der künstlichen Befruchtung im London der späten 1940er-Jahre in einer rechtlichen Grauzone unterwegs – während die Nachfrage nach ihren Diensten zugleich förmlich in die Höhe schoss. Konservative Parlamentarier im britischen Oberhaus, der Erzbischof von Canterbury, sogar der Papst hatte das Paar, dessen Zusammenarbeit sich so fruchtbar entwickelte, auf dem Kieker. Was Barton und Wiesner da halb im Verborgenen in einer der ersten Fruchtbarkeitskliniken der Welt betrieben, wurde mit moralischem Donnerhall als Sünde und „Werk des Beelzebub“ verdammt und ein sofortiges Verbot gefordert. Doch dazu kam es nicht. Die Insemination war dazu verdammt, in den ersten Jahren in einem juristischen Zwischenreich praktiziert zu werden. Es war weder legal noch illegal, wurde aber auch nicht kriminalisiert – und entwickelte sich prächtig. Denn im Grunde war die ostentative Empörung, mit der konservative Sittenwächter reagierten, die beste PR, die sich Barton und Wiesner für ihren kleinen florierenden Familienbetrieb wünschen konnten. Einerseits. Denn Frauen aus der Londoner Mittel- und Oberschicht, deren Männer unfruchtbar waren, erfuhren davon, dass es für sie noch eine Hoffnung auf leibliche Kinder gab, und rannten den beiden die Bude ein. Andererseits: Wer sich dagegen kaum noch meldete, aus Angst vor rechtlichen Problemen und moralischer Verurteilung, waren freiwillige Samenspender. Mary Barton war dafür zuständig, die künstlichen Befruchtungen medizinisch durchzuführen. Wiesner hatte die Aufgabe, immer genügend Samenspender heranzukriegen. Was blieb ihm anderes übrig, als die zunehmenden Lieferengpässe selber zu überbrücken?

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